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Kritiken (1 980)

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Drei (2010) 

Deutsch Tykwer hat mich unter die Gürtellinie getreten. Auf den ersten Blick mag der vielschichtige Film über ein Liebesdreieck wie eine billige Perversion sowie eine Attraktion über drei angeödete "Verdienstete“ erscheinen, bei denen es piept und die ihre Sexualität nicht im Griff haben, jedoch in Wirklichkeit ist es eine ungewöhnlich präzise und subversive Aussage über die Krise eines Subjekts und seine traditionellen gesellschaftlichen Rollen. Es ist kein Zufall, dass Tykwer so sehr mit dem Motiv des "biologischen Determinismus" arbeitet - zwei Charaktere forschen auf dem Gebiet der Genetik, Stammzellen und künstlichen Befruchtung. Die zeitgenössische Besessenheit mit der Kontrolle und Messbarkeit des Menschen, jene perverse Zerlegung des Subjekts in das, was Julia Kristeva als Patrimonial-Individuum bezeichnet (eine Person, die bis auf ein Set an Organen mit einem unterschiedlichen Marktpreis herunterreduziert wird), erhält hier ungewöhnlich scharfe Metaphern - zum Beispiel, sobald sich die Mutter eines der Helden posthum im Museum als eines der Exponate der Ausstellung Bodies zur Schau stellt. Tykwer bewältigt auch eine andere, sagen wir einmal überwiegend genderspezifische Chimäre - eine Person, die nur dadurch definiert wird, wie angemessen sie ihre soziale Rolle spielt. In einer derart definierten Gesellschaft, die darüber hinaus von Gewalt und Katastrophen geplagt ist (diese werden als eine Art Backup-Plan auf TV-Bildschirmen und Zeitungen gezeigt), ist dieses pathologische Liebesdreieck tatsächlich die einzige Möglichkeit einer Revolte. Dadurch, dass Tykwers Drei den Menschen als passiven Vollstrecker der gesellschaftlichen Rolle ignoriert und umgekehrt trotz Tabus das Persönlichste intensiv genießt, schafft er ein äußerst plastisches und beeindruckendes Bild der Menschheit "gegen die Konventionen". Was an diesem Film bewundernswert ist, ist die Art und Weise, wie sich der raffinierte gedankliche Untertext in eine spielerische Verarbeitung auflöst, worin Ironie, eine flotte Genrecollage sowie ein hohes Maß an Unmittelbarkeit stets offensichtlich bleiben. Was ansonsten wie eine eigennützige Mischung aus sexuellen Perversionen anumten könnte, funktioniert in Drei ganz natürlich, sanft und losgelöst von allen möglichen Stereotypen. Es faszinierte mich, wie konsequent Tykwer das Schlüsselphänomen des Vaters in der Psychoanalyse bekämpfte - trotz ihres Alters kamen mir die beiden männlichen Hauptfiguren wie Kinder vor, die in eine glückselige Welt zurückkehren, in der Vergnügen noch möglich ist (weil es nicht durch Erbsünde belastet ist). Der Schluss ist sodann eigentlich eine romantische Rückkehr zu den Wurzeln - Non Plus Ultra. Die moralische Botschaft von Tykwers Film könnte daher beispielsweise lauten, das Leben nicht mehr als quantifizierbaren und manipulierbaren Inhalt der Petrischale wahrzunehmen und es in seiner Fülle zu anzunehmen, welche sich jeglicher Kategorisierung widersetzt. Manchmal scheint es, als ob Drei in der Lage dazu wäre, die Grenzen jedweder Symbolisierung erfolgreich zu umgehen und die Sache selbst angehen könnte ... das ist natürlich eine Illusion, eine Illusion, der ich mich gerne noch einmal hingebe. Für mich ist dies bislang der Film des Jahres (ich bin so sehr voll positiver Eindrücke, dass ich definitiv viele Dinge auslassen werde, die mich während der Vorführung haben doch stören können ...).

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Gallipoli (1981) 

Deutsch Ein auf scheinbar langweiligen und in die Länge gezogenen Fundamenten aufgebautes Kriegsdrama, aber Weir behauptet sich als brillanter Architekt, welcher die etwas öde erste Hälfte im Kriegsabschnitt vollends ausnutzt, und insbesondere im völlig erdrückenden Schlussteil, welcher das sorgfältig geplante Existenzmotiv neben dem Tod perfektioniert, mitsamt des entrinnen vor ihr. Es beginnt irgendwo unter den Pyramiden und geht bis an die türkische Küste weiter, wo der Film trotz der Kriegsschauplätze seine jungenhafte Sorglosigkeit bewahrt. Der Eindruck, dass Helden einfach neben den historischen Turbulenzen koexistieren werden, wird allerdings ständig von etwas Schicksalhaftem angenagt, das sich in den Film hineinschleicht. Die Vorahnung einer Tragödie, eines unvermeidlichen Moments, in dem die kleinen Welten mit der großen kollidieren und der durch das Massiv der ägyptischen Pyramiden monumentalisierte Tod vom Piedestal herabsteigt, wird immer stärker und verwandelt sich schließlich in eine schrecklichen Gewissheit. Darin gibt´s kein sentimentales Kalkül, sondern ein immenses Gewicht und eine deprimierende Hilflosigkeit. Das Ganze zeugt von enorm brillanter, geduldiger und gut getimter Regie. Mich hat jedoch das vollkommen beunruhigende Synthesizer-Summen unglaublich irritiert... hier meldet sich die Aktualität zu Wort, ansonsten ist Gallipoli ein zeitloses Juwel.

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Non Plus Ultras (2004) 

Deutsch Ein vergeblicher Versuch des Filmes ein soziales Drama / eine Komödie zu kreieren. Die Absicht ist ja noch lobenswert, aber die Ausführung schweift an allem vorbei, was aus den Non Plus Ultras zumindest generell einen relevanten Film machen könnte. Das Drehbuch ist schrecklich naiv, obwohl es nicht vollkommen neben der Kappe stilisiert ist, jedoch strukturell werden hier nur vergeblich "Filme aus dem realen Leben" nachgeahmt. Es kommt mir wie ein typischer Versuch im Sinne von "Stellen wir uns also vor, wie diese Fußball Jungens so leben." Das sich hieraus ergebende Pappprodukt überrascht nicht allzu sehr. Er ist vollkommen daneben, wirkt albern und unglaubwürdig sowie nur allzu sehr wie eine Art Estrade. Die klassische Parallele Realität einer tschechischen Komödie, außerhalb von Beziehungen, außerhalb der Psychologie, außerhalb des Humor, außerhalb des Spiels. Ein Plus gibt´s da nur für die soliden Schauspieler.

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Master & Commander - Bis ans Ende der Welt (2003) 

Deutsch Ich erinnere mich noch nicht einmal mehr, wann ich mich das letzte Mal vor dem Höhepunkt eines Films dabei erwischt habe, dass ich kaum atme. Es muss schon lange her sein und es muss wohl in einem Film wie Master & Commander - Bis ans Ende der Welt gewesen sein. Dies ist ein wunderbarer Ruf nach alten Zeiten, ein Rückblick auf solide Filmemacherei mit einer klaren Vision, präziser Ausführung und perfekt komponierten dramatischen Ebenen. Peter Weir verfügt über Captain Jacks Kommandierfähigkeiten und Standhaftigkeit, bleibt jedoch zeitgleich ein analytischer Beobachter wie Dr. Stephen. Die Art und Weise, wie hier einzelne Charaktere aufgebaut sind, wie die Chemie innerhalb der Crew fungiert wird, sollte Lehrstoff irgendeines Lehrbuchs zur Filmtaktik sein. Innerhalb weniger Minuten ist man da an Bord und nimmt an einer Kreuzfahrt teil, die sowohl lehrreich als auch aufregend und emotional ist. Außerdem schimmern hier Weirs typische Dualitäten kleiner und großer Universen durch, wenn sich Krieg, Politik und Wissenschaft sich systematisch in den Beziehungen und Gesprächen der Charaktere widerspiegeln, ohne dass der Film in übertriebenes Klugeifern versinkt. Von allem gibt´s hier gerade so die richtige Menge und das sprichwörtliche Schießpulver wird hier trotz des donnernd langen Filmmaterials nicht nass. Das hat meinen Hauptmast weggefegt. Huzzah! (und ein Zweier soll ja, bitteschön, wie Peter Weir es uns erzählt hat, keine Utopie sein).

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En waar de sterre bleef stille staan (2010) 

Deutsch Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Symbolik des Films so tiefgründig war, dass ich sie nicht verstanden habe, oder der Film wirklich auf einem so einfachen Prinzip beruht. Dann scheint jedoch dieser konsequente Überrealismus mitsamt der Exzentrizität natürlich ein bisschen selbstzweckgerichtet zu sein. Optisch gibt es da wunder schöne Szenen, hervorragend ist auch ihre Verbindung zur Musik, aber die poetischen Diskurse und die allgemeine Stimmung dieses Pastorale gingen irgendwie an mich vorbei. Ich habe das als Gleichnis von Glauben und Hoffnung sowie ihren verschiedenen Formen empfunden. Die Wahl der Menschen mit einem Down-Syndrom ist interessant und entspricht dem allgemeinen Tonfall der Schwarz-Weiß-Parabel ... Obwohl ich ähnliche Filme mag, hat mich der Film Little Baby Jesus of Flandr mit nichts beeindruckt ...

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Metropia (2009) 

Deutsch Vollkommen falsch. Sie können ja keine Dystopie drehen, die auf einem solch anspruchsvollen narrativen Trick wie einem inneren Monolog basiert, und gleichzeitig Animationen verwenden, für die sich selbst ein Amateurabenteuerfilm schämen würde. Die Flachheit und Steifheit kommen umso zum Vorschein, so dass selbst das Synchronsprechen mehr als krampfhaft ist. Meiner Ansicht nach ist das ein unansehnlicher Eklektizismus, der umso weniger verdaubar ist, je mehr hier distopische Klassiker ausgeschlachtet werden. Irgendwo in der Filmmitte habe ich es aufgegeben ...

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The Way Back - Der lange Weg (2010) 

Deutsch Ein Film zweier Bedeutungsebenen und zweier Gesichter. The Way Back - Der lange Weg beschreibt eine Flucht aus Sibirien (überraschenderweise), die physisch vernichtende Pilgerung durch Asien, über Berge, Wüsten und wieder Berge - auf dem Wege zur Freiheit. Es geht hier jedoch auch auf symbolischer Ebene um den Weg durch die Geschichte Mittel- und Osteuropas, den Weg zur Vergebung. Aber oha! Dieser erste Versuch, die Greueltaten in einem Gulag darzustellen erweckt ähnlich wie Hollywoods Versuche, die Holocaust-Tragödie zu inszenieren, den Eindruck eines erklärenden und mäßig inszenierten Theaters, dessen Ziel darin besteht, das Publikum, welches die Faktenlage nicht kennt, zu belehren und mitfühlen zu lassen. Es ist offensichtlich, warum dieser Trick lediglich als ein sehr simpler, einer der Tiefe entbehrt, fungieren kann. Generell gilt jedoch, dass, je weiter die Helden vom traumatischen Ort des Gulag entfernt sind, je mehr wir über sie erfahren und je mehr Weir ihre individuellen Geschichten ausspricht, desto besser und überzeugender wirkt The Way Back - Der lange Weg (den Höhepunkt bildet die sog. marianische Szene in der Wüste, die mich als einzige im gesamten Film dank ihre schlichten Kraft der filmischen Sprache tatsächlich gerührt hat). Im Gegenteil dazu gilt, dass je näher die Helden an große Geschichtsererignisse herankommen, desto mehr wirkt der Film wie aus den Fingern heraus gesogen - es mutet wie eine Art Mittelstufenschulbuch über die Verbrechen des Kommunismus für Nicht-Eingeweihte. Hierdurch verliert der Film viel an seiner Energie und Authentizität (leider ist hier auch die Auswahl der dominanten Sprachvariante recht seltsam ebenso wie Ed Harris als Vermittler der Geschichte für das amerikanische Publikum). Daran könnte man sich ja gewöhnen, jedoch der fade Nachgeschmack einer künstlichen Tragödie verschwindet da nicht einfach. So wie es bei allen ähnlichen Filmen der Fall ist, so verdeckt aus dieser das historische Trauma mit dem obligatorischen Sentiment, anstatt zur Analyse und Verständnis aufzufordern ... Pluspunkte gibt´s da für den hervorragenden (und einzigen wirklich ambivalenten) Charakter, in Form des Diebes Valka in einer geradezu famosen Verpackung namens Colin Farrell.

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Las marimbas del infierno (2010) 

Deutsch Ein sehr interessantes Spiel mit Zuschauererwartungen. Während man gemäß der Inhaltsangabe geneigt dazu wäre, den Film als einen weiteren außergewöhnlichen Beitrag zum Genre "from Zero to Hero", zu bewerten, handelt es sich im Grunde genommen um eine bittere bis hin zu dokumentarisch oberflächliche Darstellung dass es im heutigen Guatemala unmöglich ist eine Revolte zu starten. Es gibt ein paar Szenen, über die man lachen kann, gibt es ja hier (besonders die erste Probe mit Black ist ein wunderbares Beispiel für Pokerface-Humor) , jedoch ansonsten basiert der Film ausschließlich auf einer vollkommen bewegungslosen Kamera, welche die Charaktere manchmal seltsam umrahmt, als wären sie nur Nebendekos, während das wichtigste in der ausgenommenen Textur einer erbärmlich verschmutzten Peripherie liegt. Das ganze funktioniert lange (gerade das Pokerface-Prinzip des Films ist äußerst einfallsreich), aber bald herrscht der Eindruck, dass die Cordons vollends die Charaktere sowie eine sinnvolle Handlung aus dem Film vollständig verloren gehen und alles mit ihrer Vergeblichkeit endet. Die Widmung am Schluss gilt all jenen, die es versuchen, sich mit etwas Interessantem in einem Land durchzusetzen, welches Unterschieden nicht zugeneigt ist und rückt alles ins richtige Licht - es besteht kein Zweifel daran, dass der Regisseur gerade um dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Langeweile in allererster Hinsicht bemüht ist. Der Film Marimbas from Hell ist keineswegs ein dankbarer Zuschauerfilm, auch keine reine untraditionelle Komödie, sondern es geht um ein seltsames nicht-dramatisches Konstrukt, welches zwischen Dokumentar- und Spielfilm schwankt, der ein gewisses Maß an Passivität vermittelt, welche für den Betrachter eher unangenehm sein kann ... Er selbst befindet sich zwar manchmal auch am Rande des Dilettantismus (seltsam geschärfte Kamera), jedoch im Grunde genommen ich eher dazu zu glauben, dass dies ein Teil der programmatorischen Aussage über das zeitgenössische Guatemala ist. Die Marimbas from Hell sind sehenswert, obwohl man hervorheben sollte, dass ihre Passivität an der Verträglichkeit balanciert.

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Unstoppable - Außer Kontrolle (2010) 

Deutsch Herrlich. Der 1. FC Metallschrott, der Albtraum eines jeden Eisenbahners, und der. testosterongesteuerte Milchmann Tony mit einer starken Besetzung im Rücken. Eine echte Fahrt wie in alten Zeiten, wohl ein Anachronismus, aber das wirft mich in der Zeit der CGI-Balletts nicht aus der Bahn...

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Morgen (2010) 

Deutsch Dieser minimalistische Sarkasmus ist genau meine Blutgruppe. Ein Film über Verständnis ohne Verständnis, der aus langen, oftmals nicht handlungsbezogenen Aufnahmen besteht, die exakt die Langeweile sowie das Grau des rumänischen Grenzgebietes exakt widerspiegeln. In dieser flachen und nicht endendem Raum, scheint dann regelrecht jede subtile Emotion und jeder Witz, welchen das zentrale Duo - der lakonische Riese Hatházi sowie der Zwergtolpatsch Yalcin darbieten. Die Charaktere, welche prinzipiell lediglich das Wort "morgen" verstehen, sind ein realistischer und natürlicher Kontrast zu den affektierten und engagierten Schreien dagegen, wie sich die EU gegenüber Einwanderern verhält. Dies ist ein Film über Menschen, nicht über humanistische Weisheiten aus Handbüchern. Ein massiver veristischer Blutstoß in den Kopf, wo die Dinge gemäß eines Schlüssel der Unwahrscheinlichkeit sowie des Zufalls geschehen. Morgen ist das Leben, welches in den Ausschnitt einer wenigsagenden Kamera gepackt wurde (mir fällt da die Parallele sowohl zum exzellenten französischen Film A Faint Trembling of the Landscape, als auch zur proletarischen Poetik der alltäglichen Unalltäglichkeit des Duos de Kervern-Delepine).