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Kritiken (1 980)

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Plemja (2014) 

Deutsch Dies ist ein ähnlicher Fall wie der Kreuzweg: ein junger Macher, ein radikal anderes Konzept, hinreißendes Design. Packende Choreografie an Kameratrajektorien sowie Gebärdensprachenzeichen, eine sich in die intensivsten Klänge überhaupt verwandelnde Stille, präzise Arbeit mit einer uns vertrauten Erzählung, die es ermöglicht, die Zeichen selbst dann zu verstehen, wenn wir ihre genaue Bedeutung nicht kennen. Ein überwältigender Schlusspunkt, der knapp an einer Exploatation vorbeischweift, jedoch dank der Konsequenz des Regisseurs einen kompromisslosen KO setzt.

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Boyhood (2014) 

Deutsch Der unheimliche Nachteil von Festivals besteht dass ein Film, der einen ansonsten wegfegen würde, hier lediglich als sehr solides Werk ausklingt, obwohl es sich um einen historischen Meilenstein handelt. Niemand vermag es wie Linklater in Sachen Subtilität beim Beobachten alltäglicher Peinlichkeiten und Sorgen die Stirn zu bieten, auch nicht darin, wie einfach er doch in seinen Filmen die wunderbare Last der Vergänglichkeit akzentuiert. In dieser Hinsicht wirkt Boyhood genauso faszinierend wie die "Before" -Trilogie. Ehrlich gesagt habe ich allerdings erwartet, dass sich aus dem Thema Jugend und der natürlich erfolgenden Änderung von Charakteren, noch stärkere Emotionen, ein noch präziseres Netz an Zusammenhängen (leider machten einige Versuche, Motive aus der Vergangenheit zu verwenden, sehr enorm gezwungen, wie zum Beispiel die Figur des mexikanischen Gärtners). Ich werde gar nicht versuchen vorzuspielen, als sei ich enttäuscht. Boyhood offenbart die Kraft des Filmmediums als fiktiver Erinnerung mitsamt der Schönheit einer unprätentiösen Filmemachersprache, die nichts mit Gewalt einfordert, sondern sich alles ehrlich verdient. [80%]

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P'tit Quinquin (2014) (Serie) 

Deutsch True Detective aus der geschützten Werkstatt. Faszinierend, wie man an sonnigen Tagen sagt, wenn man die Klippen von England sehen kann (und es nicht regnet). Ich zähle die Seelenmesse zu den lustigsten und am besten konstruierten Szenen, die ich je in einem Film gesehen habe.

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Mommy (2014) 

Deutsch Ich mag einfach Xavier zu sehr, um diesen Film zu verreißen, weshalb ich ihm immer und immer wieder Chancen gegeben habe. Und er hat mich immer und immer wieder enttäuscht. Das grundlegende Problem besteht meiner Ansicht nach darin, dass Dolans Regieführung wie der Drang seiner Charaktere aussieht: "Ich werde geliebt, aber ich will noch mehr geliebt werden." Sofern mit die "Verzogenheit" bei seinen frühen Filmen nichts ausgemacht hat, wo es de facto flachen um pubertäre Tagebücher ginge, welche von den Möglichkeiten fasziniert sind, die medienseits geboten werden, so ertrage ich dergleichen bei einem psychologischen Melodrama dieser Art kaum. Ich stimme dem Lob der schauspielerischen Leistungen nicht zu. Im Gegenteil, denn es scheint mir, dass Dolan bei seinen Kollegen(Kolleginnen) de facto nicht lediglich Regie führt und sie affektgeladen einzelne Szenen übertrieben spielen lässt bishin zur /bis über die Grenze des Erträglichen (hysterisches Lachen, regelrecht erschlagend wirkende hebephrenische Litaneien). Gleich mehrmals schweift der Film auch über die Grenzlinie melodramatischer Lizenz hinaus - die mütterliche visionäre Szene wirkt schlichtweg kitschig und die Ausdrucksstärke der Zusammenfügung von Details beim Karaoke zu Bocellis Lied erscheint mitunter naiv amateurhaft. Das grundlegende Problem besteht meines Erachtens darin, dass, obwohl der Film Mommy über gut herausbeobachtete Details verfügt, so lehnt sich der Bogen der Beziehung zu sehr auf Gewolltem an. Dolan versteckt sich hinter der Tatsache, dass seine Helden affektiert sind, daher sollte auch sein Film, der ihrem Verhalten gegenüber einfühlsam ist, affektiert wirken. Doch alles hat seine Grenzen - und Dolan hat diesem mit Mommy schlichtweg überschritten. [50%]

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Leviathan (2014) 

Deutsch In Cannes werden ja keine Verdienstauszeichnungen vergeben, und das Drehbuch von Zvyagintsev hätte es verdient. Es balanciert diverse Genreelemente exakt aus, fungiert sowohl als intime Studie, als auch als ehrgeizige Metapher der russischen Realität. Der Charakter des Kolja ist exakt so aufgebaut, damit er während des Films kein Mitleid hervorruft. Seine letzten Worte erinnern jedoch schlussendlich an die tiefste menschliche Hilflosigkeit. Der Leviathan ist lyrisch, einfühlsam, hat Witz, ist mit absoluter Ausgewogenheit sowie einem meisterhaften Gefühl für jede einzelne Aufnahme komponiert worden (Reflexion des Anfangs und des Endes, statische Einheiten der Landschaft). Die Arbeit mit der zerbröckelnden Architektur ist nicht prunkvoll und spiegelt den allmählichen Untergang des Helden sowie das angetrocknete System wider, welches automatisch Absätze, erhabene Worte über Wahrheit und Gott ausspuckt, um den heuchlerischen Machtrausch zu verdecken. Die Behörden ähneln im Grunde genommen einem Bagger, der böswillig das morsches Haus eines gewöhnlichen Menschen zerhackt. Darin liegt wohl etwas russisches Pathetisches, Moralisches, Schwungvolles, Schönes und Überwältigendes verborgen. Und es ist gut sich bewusst zu werden, dass aus Zvyagintsevs Blickwinkel es hier um keine edlen oder unbedeutenden künstlerischen Gesten geht, sondern um eine mutige Handlung, die allem Anschein nach zumindest auf seine Filmemacherkarriere in Russland Einfluss haben wird. [100%]

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Díra u Hanušovic (2014) 

Deutsch Ein paar auf interessante Art und weise aufgeschlüsselte Szenen sowie der Zwang, sich der Deadpan-Poetik zu widmen, reichen nicht aus, wenn der Film auf den klassischen Pfeilern einer tschechischen Komödie ruht: Hillbillies, Kümmerlinge, verschwitzter Geschlechtsverkehr, in "Comic-Verkleidungen" übertrieben spielende Stars. Hinzu kommen da noch die dummen Stereotypen mitsamt der Erfindung einer neuen Dialektform, welche das einzige ist, wodurch sich der bekannte tschechische Schauspieler Krobot tatsächlich auszeichnet. Das Nowhere in Moravia kommt mit dem Elend der heimischen Filmemacherei daher - und zwar in vollem Umfang, allerdings in einer bekömmlicheren Verpackung.

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Die Maisinsel (2014) 

Deutsch Eine Folklorenballade über den Kampf gegen Naturgewalten, das Zusammenleben mit der Natur sowie das Erwecken des Körpers eines Mädchens. Konservativer Regiestil, geschmeidig lyrische Aufnahmen, vom Typ her klar gewählte Hauptrollen und beeindruckendes Design. Grundsätzlich ist das einzige, was man dem Film vorwerfen kann, die suggestive Musik und eine gewisse Form an Gekünsteltheit, die sicherlich Hand in Hand mit dem Genre geht, jedoch zeitgleich viel eleganter angeganen werden kann (siehe beispielsweise den ähnlich gestimmten Streifen Bal - Honig von Semih Kaplanoglu). [65%]

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Kreuzweg (2014) 

Deutsch Ein waschechtes Ereignis. Die aus vierzehn Halten bestehende Rahmenstruktur dient nicht dem Selbstzweck, ganz im Gegenteil, denn die Geschichte der jugendlichen Maria kommuniziert zivil mit christlicher Symbolik und polemisiert vielschichtig mit dem religiösen Fundamentalismus. Zeitgleich wird hieraus jedoch kein stumpfer antireligiöser Agitationsfilm, sondern der Streifen wirkt als destruktives und bis ins kleinste Detail aufgefeiltes Familiendrama. Einige Szenen verfügen über die Feinschliffform ganz im Sinne des Seidls, verknüpft mit einer harten Ironie (Fitnessstudio), andere kombinieren auf einzigartige Weise den Realismus sowie den ikonischen Charakter des "Halts". Dem Kreuzweg gelingt es mit einem Atem einen emotionalen KO zu setzen und zeitgleich äußerst durchdachte ästhetische Gesten darzulegen. Die Raffiniertheit des Drehbuchs fasziniert, und sofern wir denn irgendwo von einer Schärfen bis zum letzten Detail sprechen können, so ist es gerade in diesem Film (Beichtszene!). Dietrich Brüggemann knüpft an die beste Tradition der österreichischen und deutschen Filmemacherei mitsamt deren Fähigkeit an, ins Zentrum eines pathologischen Phänomens vorzudringen und den Betrachter seine Banalität oder die destruktiven Folgen erleben zu lassen. Ein Filmmonster, welches die dünne Linie zwischen Liebe, Hingabe und Fanatismus aufdeckt.

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La tirisia (2014) 

Deutsch Eine unglaubwürdige Nachahmung der mexikanischen Art-Lyrik (lediglich mit der Kamera klappt´s halbwegs), die gegen Ende in die Fänge der Seifenopernweisheiten, simplen Symboliken sowie klebrigen Sentiments gerät, das schlecht als Rohheit getarnt ist. Hierdurch wird das Ganze extrem nervig. Ein klassisches Exemplar der Festivalkunst. Nicht zu verwechseln mit einem Artfilm.

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Reise in den Westen (2014) 

Deutsch Eine konsequente Antithese der New-Age-Rezepte, die Glück und Harmonie bringen sollen. Tsai Ming-liang schwärmt von der Vergänglichkeit. Jede Träne, jeder Schritt und jeder Atemzug sind hier bedeutungsvoll und bedeutungslos zugleich.