Kritiken (1 980)
Formula 1: Drive to Survive - Season 2 (2020) (Staffel)
Es ist offensichtlich, dass die PR-Abteilung der einzelnen Rennställe und auch die FIA verstanden haben, dass Netflix ein Gamechanger ist und ebenso ein Ticket zurück zur Spitze. Ganz eindeutig ist demnach die Anzahl an Momenten angestiegen, in denen die Piloten und Manager für die Filmkameras Theater spielen. Der Vorteil besteht jedoch darin, dass wir auch hinter die Kulissen von Ferrari und Mergl blicken und auch darin, dass sofern es den Dokumentarfilmemachern gelingt, den Zwiespalt zwischen PR und der Realität (Renault, Williams) zu erfassen, entstehen enorm starke Momente. Über die ausgereifte Schnittarbeit sowie dramaturgische Reife benötigen wir kaum noch zu sprechen, denn derzeit gibt es gar keine bessere Sportserie. Es geht eben darum, wie das ganze episodisch und auch als ganze Staffel mit einer einzigen Geschichte fungiert - die Macher von Spielfilmen sollten hier achtsam zuschauen und sich belehren lassen. Beeindruckend.
Die dunkelste Stunde (2017)
Eine großartige Komödie über Obesität und ein wunderbares Drama über die Tatsache, dass es manchmal notwendig ist, die Perspektive zu ändern, damit selbst der dickköpfigste Mensch seinen eigenen Überzeugungen Glauben schenken kann. Zum ersten Mal erscheint mir Wrights Handschrift in keinster Weise Überschüssiges zu beinhalten. Die brutal zugeschnittene Szene mit einem Telefonat in der Toilette gehört zu dessen Höhepunkten. Famose Leistung von Mendelsohn und Oldman. Das Drehbuch ist sehr thesenhaft, jedoch auf eine gewisse Art und Weise hat es einen kräftigen Punch selbst in dessen schwächeren Momenten. Wright mobilisiert die Filmsprache und röchelt eine vielleicht einfache, jedoch imposante Botschaft über einen unbiegsamen Geist daher.
The Outsider (2020) (Serie)
Es hätte und sollte etwas überirdisch Verrücktes sein. Tatsächlich ist dies ein Kandidat für eine der besten Serien des Jahres, die mittels eines Horrormotivs, ähnlich wie es vor einiger Zeit Spuk in Hill House machte, über etwas sehr Ziviles und ansteckend Melancholisches handelt. Die langsam dahinströmende Kleinstadtelegie über Schuld und Versöhnung ist furchtbar fesselnd, und daran vermag auch das peinliche Ende nichts ändern. Ben Mendelsohn und Cynthia Erivo, das beste Detektivduo des Jahres, Chapeau.
Last and First Men - Die letzten und die ersten Menschen (2020)
Brutalismus aus dem Weltall. Ein Requiem für die Menschlichkeit, welches das hypnagogische Voice-over á la Tilda Swinton, die langsame Fahrt einer 70-mm-Kamera und Jóhannssons typisch gehäuftes Sounddesign, das irgendwo im Dickdarm zu resonnieren beginnt, um sofort alle Ihre Rezeptoren zu beherrschen. Das Ganze erweckt eher den Eindruck von Ausstellungsstücken als ein Film zu sein. Zeitgleich ist dies jedoch auch weitaus filmischer als die meisten Filme.
Feels Good Man (2020)
Kann eine Dokumentation über ein Meme mit einem Frosch fesselnd sein? Sie kann. Vor allem, wenn es sich um einen Frosch handelt, der ursprünglich die Vorteile des Pinkelns mit heruntergelassenen Hosen demonstrierte und anschließend zum Aushängeschild der ungespritzten Incel-Frustrierten und Nagl-Troglodyten in den USA wurde. Arthur Jones made Pepe great again.
Mare (2020)
Ein schön gedrehter Festivalfilm über eine gefühlsmäßig ausgezehrte Mutter von drei Kindern, die sich in einen polnischen Waschmaschinenreparateur verliebt. Es ist die Art von intimem Porträt, gewoben aus offensichtlichen Metaphern und recht unterhaltsamen Darbietungen, die so schnell fortfliegen wie die Flugzeuge von der Runway, an der der Film spielt.
Shirley (2020)
Ein Faden eines Phantoms, das aus der Modewelt in die intellektuelle Familie einer Horrorschriftstellerin und eines promiskuitiven Professors verpflanzt wird. Der Film ist unangenehm, kontaktlastig und für mich eigentlich zu distanziert. Aber das ändert nichts an der Meisterleistung von Moss und Stuhlbarg.
DAU. Nataša (2020)
Ich sollte das Ganze allerdings nicht bewerten, denn nach ungefähr einer Stunde verschlechterte sich mein Kater durch diesen Film noch so sehr, dass ich flüchten musste. Jedoch dieser Simulator des späten Stalinismus stellt eher ein soziologisches Experiment als einen Film im klassischen Sinne des Wortes dar, und dringt so tief in einen Menschen hinein, dass man noch daran denken muss. Ein besseres Argument, um die Grässlichkeit der Totalität zu beweisen, als sämtliche moralistischen Selbstbefriedigungen der Neomarxismus-Exorzisten.
Bad Tales - Es war einmal ein Traum (2020)
Ich habe gedacht, dass Italien dieses Jahr nichts Schlimmeres als diesen Fellini aus einer Sonderschule in die Welt schicken wird. Dann ist dort aber die Coronavirus-Pandemie ausgebrochen. Deshalb bin ich nicht so streng.
Siberia (2019)
Ein vermasseltes Spin-off von Der Leuchtturm, in dem es Sex mit einer Schwangeren, eine entbindende alte Frau, einen Kampf mit einem Bären und eine nackte Kleinwüchsige im Rollstuhl gibt. Trotzdem ist der Film ungefähr so unterhaltsam wie eine Debatte über Wittgenstein mit einem besoffenen Eskimo.