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Die Lottokugel, Losverfahren in der Politik (E10)

(Folge)
  • Frankreich La Boule de loto, la politique du jeu de hasard
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Frankreich, 2021, 17 min

Besetzung:

Patrick Boucheron (Moderator*in)

Inhalte(1)

Die politische Ordnung besiegelt die Herrschaft der Notwendigkeit über das Reich des Zufalls? Wer weiß, denn im mittelalterlichen Venedig wurde gelost, um politische Ämter zu besetzen. Die Lottokugel diente hierbei als Schutz vor Tyrannei.Die Utensilien, die man heute bei einer Verlosung, beim Lotto oder anderen Glücksspielen benutzt, sind genau die gleichen wie vor fünf- oder sechshundert Jahren: simple Jetons aus Holz, Kugeln oder eine Lottotrommel. Derartige Losverfahren waren gegen Ende des Mittelalters vor allem in Norditalien und Venedig gang und gäbe. Venedig war eine oligarchische Republik, in der sich bis zu 200 adlige Familien die Macht teilten. Sie alle strebten nach den wichtigsten Ämtern. Um Streit und Intrigen zu vermeiden, wurden diese per Losentscheid gewählt. Die wichtigste Wahl ist die Wahl des Dogen, dem Vertreter aller Patrizier. Sie ist wegweisend und wird zum Symbol mittelalterlicher Wahlen. Um zu verhindern, dass bestimmte Familien die Macht an sich reißen, kam ein kompliziertes Wahlsystem zum Einsatz: Per Losverfahren wird eine gewisse Anzahl von Wählern bestimmt, die dann wiederum per Losentscheid Wähler wählen. So geht es neun Mal, bis am Ende eine Gruppe von 41 Wählern übrig bleibt, die dann den Dogen wählt. Auch heute glauben manche, dass das Losverfahren sogar demokratischer als das allgemeine Wahlrecht ist, weil jeder die gleiche Chance hat, am politischen Leben teilzunehmen. Für die einen ist das Losverfahren ein Symbol der Demokratie, für die anderen des Populismus. (arte)

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